Müde gähnte sie und schloss für einen Augenblick die Augen. Wenn sie morgens endlich mal früher aus dem Bett kommen würde, könnte sie auch eher Feierabend machen. Aber das warme Bett war angenehmer als der dämmrige Morgen und somit musste sie immer länger arbeiten als ihre Kollegen. Vor knapp einer Stunde hatte der letzte Mitarbeiter ihrer Abteilung sich verabschiedet. Dummerweise musste sie noch 1 ½ Stunden ausharren, denn aufgrund ihrer Trägheit hatte sie sich ein paar Minusstunden eingehandelt. Am Ende des Monats, also in 2 Tagen, mussten diese allerdings von ihr nachgearbeitet worden sein.
Seufzend schnappte sie sich die Kartei und ging zur Tür. Keine Müdigkeit vorschützen, an die Arbeit.
Auf dem Weg zum Keller ins Archiv, sah sie vereinzelt ein paar Mitarbeiter, die zusammen packten und ihr zuwinkten.
Im Magazin knipste sie die Lampen an und musste leise niesen. Ihr machte die Arbeit Spaß, wenn nur der ganze Staub nicht wäre.
Leise und gewissenhaft arbeitet sie sich in ihrer Kartei vor. Nach einer viertel Stunde blickte sie auf die Uhr und freut sich, dass die Arbeit heute so flott von der Hand ging. Es gab selten Dinge die sie erschreckten, deswegen störten sie die kleinen Geräusche in dem Dämmerlicht nicht sonderlich. Immer tiefer ins Magazin führte sie ihre Arbeit. Ein leises, immer wiederkehrendes Klopfen fing an sie zu nerven. Ihre Konzentration ließ nach und sie machte immer mehr Fehler. Leise fluchte sie vor sich hin und stellte die Kartei zur Seite. Die Heizungsrohre in diesem Bau waren zig Jahre, wenn nicht schon Jahrhunderte, alt. Sie spitzte die Ohren und folgte dem Geräusch; vielleicht konnte sie der Ursache nachgehen und Abhilfe schaffen. Plötzlich war dieses Geräusch verschwunden und sie ging genervt zurück an ihre Arbeit. Doch kaum zehn Minuten später erklang das Klopfen erneut. Doch dieses Mal unregelmäßig und wesentlich leiser. Sie runzelte die Stirn. Da wollte sie wohl jemand ärgern. Empört schnaubte sie durch die Nase, denn dieser jemand hatte es in der Tat geschafft. Auf Zehenspitzen schlich sie in die Tiefen des Magazins, von wo das Geräusch zu vernehmen war. In diesem Bereich standen Akten, die kaum bis gar nicht mehr gebraucht wurden. Was auch die schlechte Beleuchtung erklärte. Am Ende des Ganges war nur noch eine intakte Lampe, die schummriges Licht auf die Akten warf. Was dort allerdings noch beleuchtet wurde, ließ ihr den Atem stocken. An einem Heizungsrohr fest gekettet saß ihre Kollegin auf dem Boden und wimmerte. Völlig abgemagert und apathisch klopfte sie kraftlos mit der Hand gegen die Rohre.
Als sie realisierte, dass sie entdeckt wurde, erschien auf ihrem Gesicht ein Lächeln, das sofort wieder einfror. Mit den Lippen formte sie die Worte: Lauf weg…bitte.
Ihr Blick flehte sie an. Ihre Kleidung war verschmutzt und in ihrem Gesichte waren tiefe Wunden.
Seit 2 Wochen war sie nicht mehr in der Abteilung gewesen, sie hatte Urlaub eingereicht. Niemand hatte geahnt, dass sie hier war.
Beide sahen sich an und sie wusste, dass sie Hilfe holen musste. Sie rannte den Weg entlang und kam völlig außer Atem an der Tür an. Mit einem Ruck zog sie an der Klinke, doch die Tür öffnete sich nicht. In den Taschen wühlte sie nach dem Schlüssel, doch den hatte sie bei dem Karteikasten liegen gelassen. Sie drehte sich um und erschrak fast zu Tode, als ihr jemand den Schlüssel vor die Nase hielt. Sie setzte zu einem lauten Schrei an, der ihr im Halse stecken blieb, als der Unbekannte ihr ein Messer an die Kehle setzte. Kraftlos und blutüberströmt blieb sie liegen und stöhnte.
Zuckend lag sie am Boden und öffnete die Augen. Sie hatte sich in der Decke verfangen und war aus dem Bett gefallen. Welch ein Albtraum….
© by Chiara Muerte